Ein Genozid – Ein Femizid

Der andauernde Völkermord an den Ezid:innen begann mit dem Angriff der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) im Shingal-Gebiet am 3. August 2014. Von den 400.000 Menschen, die innerhalb weniger Stunden alles zurücklassen mussten, waren Zehntausende vom sog. IS im Shingal-Gebirge eingekesselt, wo sie in der hochsommerlichen Hitze sieben Tage lang um ihr Leben fürchten mussten, bevor die kurdischen Streitkräfte YPG/YPJ aus Rojava (Nordsyrien) und HPG/YJA-Star sie über einen Korridor nach Rojava in Sicherheit bringen konnten. 6.000 Ezid:innen, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, wurden entführt, vergewaltigt, verkauft und versklavt. Es wurde auch versucht, sie mit Gewalt zu islamisieren. Etwa der Hälfte von ihnen gelang es, aus den IS-Gefängnissen zu entkommen. Tausende von Männern gelten als vermisst oder tot. Es gibt Dutzende von Massengräbern in Shingal.
Mehr als 100.000 Ezid:innen sind seither nach Shingal zurückgekehrt. Die Mehrheit der Ezid:innen aus Shingal lebt jedoch immer noch als Vertriebene oder Flüchtlinge im Irak, in Syrien, der Türkei, Europa, Kanada und Australien.
Frauen spielen eine wichtige Rolle bei der Bewahrung einer religiösen oder ethnischen Gemeinschaft. Ohne Frauen als Trägerinnen sozialer Werte ist es für eine Identität schwer zu überleben.
Das Shingal-Gebirge war für den sog. IS von geostrategischer Bedeutung. Es grenzt an die kurdischen Regionen in Syrien und im Irak, die 2014 gleich folgend angegriffen wurden. Der „IS“ war auf dem Weg nach Kobane und Erbil. Nach dem vom „IS“ propagierten Konstrukt des radikalen Islam sind Ezid:innen  Ungläubige und „Gesetzlose“. Das Ziel des sog. IS war es, Ezid:innen zu demütigen und ihre Kultur zu zerstören. Um dieses Ziel zu erreichen, wendet er bis heute die brutalsten Formen der Gewalt gegen das ezidische Volk – insbesondere gegen Frauen – an. Dieser Genozid (Völkermord) ist auch ein gezielter Femizid (Frauenmord). Aber indem die Mitglieder der ezidischen Gemeinschaft – und insbesondere ihre Männer – die zurückkehrenden Frauen umarmen und herzlich willkommen heißen, haben sie angesichts des unmenschlichen, patriarchalischen, radikal-islamischen Denkens und Handelns, der Kriegsverbrechen und Kriegsziele des „IS“ Stärke bewiesen. Die ezidischen Frauen sind heute stärker als zuvor.